Er zog langsam an seiner Zigarette. Seine Lippen umschlossen den Filter, schmal und blass, leicht aufgesprungen. Seine Wangen waren leicht rot. Er hatte sich wohl schon etwas länger nicht mehr rasiert. Einige Härchen an seinem Kinn wurden langsam grau. Auch sein Haupthaar war durchzogen von leichten silbernen Streifen. Sie funkelten. Der Tag war sonnig, ich hatte ihn spontan angerufen um mich mit ihm zu treffen.
Da saßen wir nun. In unserem kleinen Lieblingscafé nahe des Stadtparks. Die Kirschbäume blühten in sattem Rosa, unter ihnen suchten Passanten bei einem guten Buch Ruhe und Zeit für sich. Seit meinem letzten Besuch schienen Jahre vergangen zu sein, ich erkannte die Umgebung kaum wieder. Der Brunnen im Park war saniert sichtlich worden, das Trottoir neu gepflastert, auch die Sitzbänke wurden umgetauscht. Ich dachte mit Wehmut an die Zeit, in der ich durch diesen Park spaziert war, zwischen fallenden Blütenblättern und bunten Osterglocken. Ich glaube, ich war damals glücklich. Auch wenn ich meist alleine durch die leeren Straßen der Stadt wanderte, ich wusste immer genau, an welcher Tür ich klingeln musste, brauchte ich eine starke Schulter und ein großes Glas Rotwein. Diese leichtherzige Zeit war nun vorbei.
"Wie läuft es mit diesem Rechtsanwalt?", fragte er, bemüht die Frage beiläufig zu gestalten. Ich hörte es sofort an seinem Tonfall.
"Gut... Gut, wir... wir sehen uns gerade nach einer Eigentumswohnung um. Es... es wird bald zu eng für uns...", stammelte ich. Es fiel mir schwer, mich ihm zu stellen. Aber ich wusste, dass ich keine andere Wahl hatte. Im Moment brachte ich aber noch nicht den Mut auf, meine Worte klar an ihn zu richten. Ich wollte schnell von mir ablenken. Er stierte auf seine Tasse, zog die Lippen zusammen, nickte gedankenverloren.
"Wie geht es Theresa?", fragte ich enthusiastisch.
"Wir sind schon länger nicht mehr zusammen", antwortete er trocken. Er nippte an seinem Cappuccino. Unwillkürlich musste ich ihn erstaunt angesehen haben. "Das hat dir dein kleiner Spion wohl nicht erzählt?"
Eine bedrückte Pause folgte.
"Wir wollten es auch nicht an die große Glocke hängen... Hör' auf, deinen Kopf so fallen zu lassen und mich von unten herauf anzusehen, das macht mich wahnsinnig!"
Ich bemerkte erst jetzt, dass ich meine übliche, gespielte Empathie-Pose eingenommen hatte. Eigentlich war ich nur starr dagesessen, hatte meine heiße Schokolade umgerührt und mit geistiger Abwesenheit geglänzt. Ein leichtes Lächeln konnte ich mir dennoch nicht verkneifen.
"Was hat es mit diesem blöden Lächeln auf sich?" Er wirkte genervt, seine Stimme wurde dunkler. "Ich habe dir schon oft genug gesagt, dass sich meine Meinung nicht ändern wird! Akzeptier' das doch einfach! Warum wolltest du dich überhaupt treffen, sind die Fronten denn nicht längst geklärt?! Gott, ich habe keine Lust mir deine Vorwürfe anzuhören!"
Mit einem lauten Ruck stand er auf, fasste in die Innentasche seiner Jacke, zog sein Portemonnaie heraus und warf mir einen Fünf-Euro-Schein entgegen.
"Ich hatte gehofft, du willst sie vielleicht doch kennen lernen..." Meine Stimme war brüchig. Ich senkte den Blick, beugte mich mühevoll zu meiner Handtasche hinunter und kramte darin herum.
"Ich hab' hier was für dich!" Als ich meine Lider wieder hob und die Worte sprach, bemerkte ich, dass er schon bei der Tür war. Er hatte sich einfach abgewandt, war gegangen ohne sich zu verabschieden, hatte mir den Rücken gekehrt und verschwand somit endgültig aus meinem Leben. Ich umklammerte das rauschige Schwarzweißbild. So sehr ich es mir auch wünschte, ich konnte darin nichts erkennen. Ich wollte darin eine Zukunft erkennen. Doch ich sah darin nur Vergangenheit. Ich sah in ihr nur ihn.